Web Accessibility bedeutet konkret, dass Inhalte und Anwendungen für alle Menschen zugänglich sind – ganz unabhängig von ihren individuellen Einschränkungen. Um dies zu gewährleisten, müssen unter anderem verständliche Alternativtexte für Bilder, ausreichende Kontrastverhältnisse, eine klare Struktur und Semantik des Inhalts sowie die Unterstützung durch assistive Technologien wie Screenreader vorhanden sein.
Doch reicht es aus, sich bei der Überprüfung von Websites nur auf automatisierte Tests zu verlassen?
Unterschiede zwischen automatisiertem und manuellem Testing
Das Durchführen von automatisierten Tests ist sehr sinnvoll, um schnelle und wiederholbare Checks zu erledigen. In unserer Studie zur Barrierefreiheit im E-Commerce haben wir beispielsweise diese Art von Tests angewandt, um die Startseiten von 2.446 deutschen Onlineshops auf Barrierefreiheit zu untersuchen. Damit konnten wir aber nur zentrale Kriterien bewerten, wie:
- Fehlende Alt-Texte bei Bildern
- Falsch gesetzte ARIA-Attribute
- Farbkontraste unterhalb der empfohlenen Werte
- Fehlende Navigationsstrukturen
Das bedeutet: Solche Tests offenbaren oft nur einen Teil der tatsächlichen Barrierefreiheitsprobleme und viele kritische Aspekte werden gar nicht entdeckt.
Besonders, wenn es um semantische Fehler oder UX-Probleme geht, stoßen Crawling-Tools dann an ihre Grenzen. Fragen wie “Ist ein Bild wirklich sinnvoll beschriftet?”, “Können Nutzende die Anwendung auch nur mit einer Tastatur sinnvoll bedienen?” oder “Springt der Fokus logisch von Element zu Element?” bleiben unbeantwortet.
Und genau hier kommt dann das manuelle Testing zum Einsatz. Da manuelle Tests von Menschen durchgeführt werden, wird die Nutzerperspektive viel authentischer eingefangen, indem Aspekte wie die tatsächliche Nutzbarkeit, Verständlichkeit und Barrierefreiheit in realen Situationen bewertet wird. Tester können besser als die Maschine nachvollziehen, wie gut eine Seite mit assistiven Technologien funktioniert, ob die Navigation intuitiv ist und ob Inhalte für alle Benutzergruppen gleichermaßen zugänglich sind.
Um jedoch eine umfassende Barrierefreiheit zu gewährleisten, ist die Kombination beider Testarten der beste Ansatz. Dadurch können Unternehmen sicherstellen, dass sowohl die technischen als auch die nutzerorientierten Barrieren erkannt und behoben werden.
Typische Fehler in der Barrierefreiheit, die nur manuelles Testing aufdeckt
Um nochmal genauer auf die Dringlichkeit von menschlichen Testings einzugehen, werfen wir einen Blick auf typische Fehler, die nur manuell identifiziert werden können:
- Unklare Navigation und Interaktionsprobleme: Manche Menüs sind technisch erreichbar und schneiden bei automatisierten Tests gut ab, sind dann aber in der Praxis für Nutzende nicht verständlich. Das liegt oft daran, dass Menüstrukturen nicht logisch aufgebaut sind oder zu viele verschachtelte Ebenen enthalten, was insbesondere für Menschen mit kognitiven Einschränkungen eine Herausforderung darstellt.
- Probleme mit Fokusmanagement: Ein korrektes Fokusmanagement ist wichtig für User, die auf die Tastaturbedienung angewiesen sind. Ein schlechtes Fokusmanagement äußert sich oft durch unlogische Reihenfolgen des Fokusverlaufs oder fehlende visuelle Hinweise auf aktive Elemente.
- Kontrast- und Lesbarkeitsprobleme: Automatische Tests prüfen zwar Farbkontraste anhand festgelegter Werte, sie können jedoch nichts darüber aussagen, ob die Inhalte für Nutzende wirklich gut lesbar sind. Faktoren wie Umgebungslicht, Schriftarten oder Zeilenabstände spielen dabei eine große Rolle und müssen durch manuelle Tests überprüft werden. Auch die Verständlichkeit eines Textes für Nutzende lässt sich durch menschliches Testing weitaus besser überprüfen.
Best Practices für manuelles Testing
Unternehmen sollten folgende Methoden anwenden, um das Beste aus den manuellen Tests herauszuholen:
- Das Testing mit Screenreadern ist das A und O. Tools wie beispielsweise NVDA oder VoiceOver helfen den Testenden, die Nutzererfahrung von erblindeten oder sehbeeinträchtigten Personen nachzuvollziehen. Dabei sollte nicht nur die grundlegende Bedienbarkeit überprüft werden, sondern auch, ob wichtige Informationen korrekt vorgelesen werden, die Alt-Texte sinnvoll gewählt sind und ob die Reihenfolge der Inhalte logisch strukturiert ist.
- Alle wichtigen Funktionen der Web-Page sollten ohne Maus erreichbar sein. Das heißt, Nutzende sollten durch eine klare und intuitive Tab-Reihenfolge problemlos durch die Inhalte navigieren können, interaktive Elemente sollten deutlich fokussiert sein und es dürfen sich keine Barrieren wie “Tastaturfallen” ergeben, die das Vorankommen verhindern. Das Testen erfolgt hier mit einer sogenannten Tastatur-Only-Navigation. Einen Guide zum richtigen Screenreader-Testing, Tastatur-Only, gibt es beispielsweise vom Illinois Departement of Innovation & Technology.
- Sinnvoll ist auch betroffene User, also Menschen mit Behinderungen, in den Testprozess einzubinden. Somit bekommt man authentisches Feedback und eine bestmögliche, praxisnahe Optimierung.
Werkzeuge für manuelles Testing
Für eine effiziente Durchführung manueller Testings gibt es zudem viele hilfreiche Tools zur Unterstützung:
- Browser-Tools und Plugins wie WAVE oder aXe helfen, erste Analysen durchzuführen und gängige Probleme wie fehlerhafte ARIA-Attribute, fehlende Alternativtexte oder unzureichende Farbkontraste zu erkennen. Sie bieten außerdem visuelle Hilfen, um potenzielle Probleme besser nachvollziehen zu können.
- NVDA für Windows oder VoiceOver für macOS und iOS sind essenziell, um die Nutzungserfahrung von sehbehinderten Personen realistisch zu testen. Sie ermöglichen es, die Zugänglichkeit und logische Struktur der Inhalte zu prüfen.
- Ein systematischer Ansatz mit Checklisten und dokumentierten Testszenarien stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte der Barrierefreiheit konsequent überprüft werden.
- Wenn du Unterstützung bei den Testings benötigst, oder diese lieber ganz in andere Hände geben möchtest, bieten wir unseren Audit-Service an. Mit unserer umfassenden Erfahrung und gezielten Analysen können wir dabei helfen, digitale Angebote barrierefrei zu gestalten und maßgeschneiderte Empfehlungen zur Verbesserung der Zugänglichkeit bereitzustellen.
Fazit: Manuelle Tests sind ein wichtiger Schritt zur barrierefreien Nutzererfahrung
Manuelles Testing ist Pflicht für jedes Unternehmen, das BFSG-Konformität gewährleisten möchte. Automatisierte Tools sind zwar ein guter Ausgangspunkt, doch nur in der Kombination mit menschlichen Tests können versteckte Barrieren aufgedeckt und die tatsächliche Nutzererfahrung verbessert werden. Empfohlen ist deshalb, manuelles Testing in Kombination mit Crawls fest in den Prozess zu integrieren, um eine inklusive digitale Umgebung zu schaffen und zudem von einer besseren Usability und einer größeren Reichweite der eigenen Angebote zu profitieren.
